Stärkenorientierung
- Johanna Wegner
- vor 1 Tag
- 4 Min. Lesezeit
in Führung & Teamarbeit: Was sie auslöst – und warum sie wirkt
Viele Unternehmen arbeiten nach wie vor mit einer vertrauten Logik: Schwachstellen identifizieren, analysieren, beheben.
Das ist sinnvoll – aber eben nur ein kleiner Ausschnitt dessen, was Menschen und Teams leistungsfähig macht. Wer den Blick einseitig auf Defizite richtet, übersieht häufig genau das, was Zusammenarbeit trägt: die individuellen Ressourcen, Talente und Potenziale, die Menschen in ihre Kraft bringen.
Stärkenorientierung setzt hier an. Sie ist kein Gegensatz zu Schwächenarbeit, sondern eine bewusste Erweiterung des Blicks – hin zu dem, was Energie erzeugt, Wirksamkeit ermöglicht und Entwicklung erleichtert. Und die Forschung zeigt zunehmend, dass dieser Ansatz weit mehr ist als eine gut klingende Idee.

Was Stärkenorientierung bedeutet
Stärkenorientierung bedeutet nicht, Schwierigkeiten auszublenden oder alles positiv zu betrachten. Vielmehr geht es darum, Stärken, Motive und Ressourcen bewusst wahrzunehmen und sie so einzusetzen, dass Menschen handlungsfähig bleiben und ihre Arbeit mit Klarheit und Energie gestalten können.
Dazu gehört:
Stärken systematisch sichtbar zu machen
Aufgaben, Rollen und Verantwortlichkeiten an Potenziale anzulehnen
Entwicklung nicht an Defiziten auszurichten, sondern an dem, was bereits trägt
Rahmenbedingungen zu schaffen, in denen Stärken genutzt und weiterentwickelt werden können
In der Positiven Psychologie werden Stärken als zentrale psychologische Ressourcen beschrieben, die Wohlbefinden, Motivation und Flow-Erleben unterstützen.
Was die Forschung über stärkenorientierte Führung zeigt
Dass Stärkenorientierung weit über einen intuitiven Ansatz hinausgeht, lässt sich in zahlreichen aktuellen Studien nachvollziehen – und der rote Faden durch diese Forschung ist erstaunlich konsistent: Menschen, die ihre Stärken nutzen können, arbeiten engagierter, gesünder und nachhaltiger.
Stärkenorientierte Führung & psychisches Wohlbefinden
Ding & Yu (2021) zeigen, dass Mitarbeitende, deren Stärken von ihren Führungskräften wahrgenommen und gefördert werden, ein höheres psychisches Wohlbefinden erleben – besonders dann, wenn sie ihre Stärken im Alltag tatsächlich anwenden.
Engagement & Resilienz als Wirkungskette
Eine groß angelegte Studie (Cambridge University Press, 2024) belegt, dass stärkenorientierte Führung mit höherem Engagement und größerer Resilienz verbunden ist – zwei Faktoren, die Teams langfristig tragen und vor Überlastung schützen.
Leistung entsteht über Stärkennutzung, nicht über Stärkenwissen
Wang et al. (2025) zeigen, dass nicht das reine Bewusstsein über eigene Stärken entscheidend ist, sondern deren konkrete Nutzung im Arbeitsalltag. Stärkennutzung vermittelt den Zusammenhang zwischen Führung, Motivation und Leistung und erklärt, warum stärkenorientierte Teams initiativer und fokussierter arbeiten.
Die Ergebnisse verdeutlichen, dass Stärkenorientierung nicht bei der Theorie stehenbleibt, sondern eine fundierte Grundlage hat, auf der sich Führung und Teamarbeit gezielt weiterentwickeln lassen.
Warum ein reiner Defizitfokus wenig trägt
Ein defizitorientierter Blick ist nicht falsch – er ist lediglich unzureichend, wenn es um Motivation, Zusammenarbeit oder nachhaltige Entwicklung geht.
Die Forschung zeigt:
Schwächenarbeit ist wichtig, aber selten energiefördernd
psychologische Sicherheit steigt, wenn Stärken sichtbar sind
Selbstwirksamkeit lässt sich leichter über Stärken aufbauen
Menschen gehen Herausforderungen aktiver an, wenn sie auf Ressourcen zurückgreifen können
Entwicklung gelingt oft besser, wenn sie auf dem aufbaut, was bereits wirkt.
Wie stärkenorientierte Führung im Alltag aussieht
Stärkenorientierte Führung zeigt sich in Gesprächen, Entscheidungen, Prioritäten und im alltäglichen Miteinander – nicht in großen Programmen.
Sie zeigt sich insbesondere darin, dass Führungskräfte:
Potenziale bewusst wahrnehmen, statt nur Aufgaben zu delegieren
Rollen entlang individueller Stärken gestalten, um Klarheit und Energie zu ermöglichen
Feedback geben, das Orientierung schafft, statt nur zu bewerten
Rahmenbedingungen schaffen, in denen Menschen Verantwortung übernehmen können
So entsteht ein Umfeld, in dem Mitarbeitende mutiger werden, Ideen einbringen und ihre Arbeit mit mehr Leichtigkeit gestalten.

Methoden, die Stärken sichtbar machen
Damit Stärken im Alltag nicht abstrakt bleiben, sondern Orientierung geben, braucht es Methoden, die Reflexion, Austausch und praktische Anwendung miteinander verbinden. Ich persönlich verwende in diesem Kontext gerne folgende Tools:
Ein wissenschaftlich fundiertes Persönlichkeitsprofil, das Stärken, Motive und Kompetenzen differenziert erfasst und miteinander in Beziehung setzt. Besonders wertvoll ist die Kombination aus Persönlichkeitstypen, inneren Antreibern und Verhaltenspräferenzen – sie ermöglicht eine sehr klare, persönliche und zugleich anschlussfähige Stärkenreflexion.
Ein visuelles Coaching-Tool, das in kurzer Zeit sehr viel Klarheit schafft. Wurzeln, Stamm, Krone – jedes Element steht für Werte, persönliche Ressourcen, unterstützende Beziehungen und Entwicklungspotenziale. Durch die bildhafte Darstellung erkennen viele Menschen nicht nur ihre Stärken, sondern auch, was ihnen Stabilität und Energie gibt.
Eine kreative und zugleich tiefgehende Methode, bei der Stärken, Rollen und Teamdynamiken im wahrsten Sinne des Wortes sichtbar gebaut werden. Durch das Modellieren entstehen überraschende Perspektiven, die sich im Gespräch leichter ausdrücken lassen als in reiner Sprache. Besonders in Teams fördert die Methode ein besseres Verständnis füreinander.
Stärken- und Werte-Reflexion
Strukturierte Fragen und kurze Reflexionssequenzen, in denen Menschen erkunden, was ihnen leichtfällt, wo sie in den Flow kommen und welche Werte sie in ihrer Arbeit leiten. Diese Reflexion schafft ein gemeinsames Vokabular – eine Voraussetzung dafür, Stärken bewusst zu nutzen.
Teamdesign entlang von Stärken
Wenn Teams ihre Aufgaben und Rollen entlang individueller Talente strukturieren, entstehen Klarheit, Verlässlichkeit und weniger Reibung. Stärken werden damit nicht nur individuell genutzt, sondern strategisch eingesetzt.

Fazit
Stärkenorientierung ersetzt Schwächenarbeit nicht – aber sie schafft eine Basis, auf der Entwicklung deutlich leichter wird. Sie stärkt Selbstwirksamkeit, Motivation und psychologische Sicherheit und ermöglicht eine Form von Führung, die Menschen ernst nimmt, statt sie zu korrigieren.
Und sie beginnt mit einer einfachen Frage:
Welche Stärke möchtest du heute einbringen?
Eure Johanna





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